Tipp der Woche: Grundlagen Psychotraumatologie 24

Spezielle Traumatisierungen 2

Wenn Nähe fehlt: Traumatisierungen durch Krankenhausaufenthalte im Kindesalter

Was passiert, wenn ein Kleinkind im Krankenhaus liegt – ganz ohne seine Eltern? In den 1970er und 1980er Jahren war das in vielen Ländern bittere Realität. Eltern durften ihre kleinen Kinder nicht oder nur selten im Krankenhaus besuchen. Die Vorstellung, dass medizinische Versorgung alleine ausreicht, um ein Kind gesund werden zu lassen, erwies sich als fataler Irrtum – mit lebenslangen seelischen Folgen.

Verlassenheit als Trauma

Gerade Säuglinge und Kleinkinder brauchen nicht nur Nahrung und Pflege, sondern vor allem emotionale Nähe und Bindung. Wird diese Bindung abrupt und über längere Zeit unterbrochen, spricht man von einem Verlassenheitstrauma. Die Symptome können unmittelbar auftreten: Kinder hören auf zu weinen, ziehen sich zurück, erkennen ihre Eltern nach dem Krankenhausaufenthalt nicht mehr oder klammern sich verzweifelt an Bezugspersonen. Manche entwickeln Verhaltensweisen, die an sogenannten Hospitalismus erinnern – ein Begriff, der ursprünglich die Entwicklungsstörungen bei Kindern in Waisenhäusern beschrieb.

Spätfolgen im Erwachsenenalter

Solche frühkindlichen Trennungen können Spuren hinterlassen, die weit ins Erwachsenenleben reichen. Besonders häufig zeigen sich dann starke emotionale Reaktionen bei Verlusten: Eine Trennung oder der Tod einer nahestehenden Person kann das ursprüngliche Trauma reaktivieren. Die Reaktion erscheint anderen oft „übertrieben“ – für die Betroffenen ist sie jedoch Ausdruck einer tief verankerten, unverarbeiteten Verletzung.

Internationale Perspektiven: Wo stehen wir heute?

In vielen europäischen Ländern – darunter Deutschland, Österreich und die Schweiz – hat sich das Bewusstsein für die Bedeutung der Eltern-Kind-Bindung im Krankenhaus deutlich verbessert. Heute gehört das „Rooming-in“, bei dem Eltern mit im Krankenhaus bleiben können, vielerorts zum Standard. Dennoch gibt es noch immer Kliniken, in denen enge Besuchsregelungen und mangelnde kindgerechte Betreuung Herausforderungen darstellen.

Auch in den Vereinigten Staaten war das Problem lange Zeit bekannt. Die Bewegung „family-centered care“ setzte sich seit den 1990er Jahren zunehmend durch. Heute bemühen sich viele US-Krankenhäuser, Eltern als aktiven Teil des Behandlungsteams zu integrieren. Dennoch hängt die Umsetzung stark von Bundesstaat, Klinik und Versicherungslage ab.

In der Ukraine und anderen osteuropäischen Ländern sind die Strukturen oft noch weniger auf elternnahe Betreuung ausgerichtet. Besonders durch den Krieg verschärfen sich die Bedingungen für Kinder in medizinischer Versorgung. Nicht selten sind sie dort erneut getrennt von Bezugspersonen – sei es aufgrund von Evakuierungen, Verletzungen oder organisatorischen Hürden in überlasteten Kliniken.

Was wir daraus lernen können

Die Geschichte dieser speziellen Form der Traumatisierung ist ein eindringliches Beispiel dafür, wie wichtig emotionale Sicherheit für die gesunde Entwicklung eines Kindes ist. Sie zeigt auch: Frühe Verletzungen verschwinden nicht einfach – sie können durch spätere Ereignisse erneut aufbrechen und unser Leben tief beeinflussen.

Ein sensibler Umgang mit Bindung, Verlust und Nähe – besonders bei kleinen Kindern – ist essenziell. Das gilt für Kliniken genauso wie für Familien und Fachkräfte in Therapie, Pflege und Pädagogik. Denn jede Chance zur Heilung beginnt mit dem Verstehen..

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