Tipp der Woche: Grundlagen Psychotraumatologie 30

Sonstige Begriffe 4

Posttraumatische Reifung / Posttraumatisches Wachstum – aus Krisen Wachstum schöpfen

Manche Menschen berichten nach einer schweren Krise oder einem traumatischen Ereignis, dass sie innerlich gereift sind – dass sie heute klarer wissen, was ihnen wichtig ist, und dass sie trotz allem dankbar sind für die gemachten Erfahrungen. Auf den ersten Blick mag das widersprüchlich wirken. Doch viele Studien zeigen: Inmitten von Schmerz und Erschütterung kann auch Potenzial für persönliches Wachstum liegen.

Was die Forschung sagt

Der amerikanische Psychologe George A. Bonanno von der Teachers College, Columbia University betont, dass Resilienz – also die stabile Rückkehr zu funktionierendem Leben nach einem Trauma – häufiger ist als oft angenommen. Er identifizierte verschiedene Trajektorien nach einem potenziell traumatischen Ereignis, darunter einen Weg, der durch geringe oder kurzzeitige Beschwerden gekennzeichnet ist („resilient trajectory“).

Quelle: Bonanno, G.A., Chen, S. & Galatzer-Levy, I.R. Resilience to potential trauma and adversity through regulatory flexibility. Nat Rev Psychol 2, 663–675 (2023)

Allerdings – und das ist wichtig – bedeutet das nicht zwangsläufig, dass ein traumatisches Ereignis zu einem echten „Wachstum“ im Sinne von höherer Lebensqualität oder neuer Stärke führt.

Der Begriff „Posttraumatisches Wachstum“ (PTG) wurde maßgeblich von Richard G. Tedeschi und Lawrence G. Calhoun geprägt. Er beschreibt positive psychologische Veränderungen, die infolge der Bewältigung einer tiefgreifenden Krise auftreten können.

Neuere Studien zeigen, dass Wachstum zwar möglich, aber nicht unbedingt die Regel ist – und dass es deutlich differenzierter betrachtet werden muss. So berichten manche Untersuchungen von invers-u-förmigen Zusammenhängen zwischen Belastung und Wachstum: Weder sehr geringe noch extreme Belastung fördern Wachstum – sondern moderate Belastung zusammen mit entsprechenden Bewältigungsprozessen.

Quelle: José Manuel Sánchez Marqueses et. al., Posttraumatic Growth, Metacognitive Beliefs, Self-Absorption and Dysfunctional Trauma-Related Attitudes in a Sample of the Spanish General Population, Ansiedad y Estrés, 28(3), 194-206 (2022)

Wichtige Erkenntnisse im Überblick

Warum das wichtig ist

Auch wenn ein traumatisches Erlebnis nicht per se zu einem persönlichen Gewinn führt, kann es sinnvoll sein, in der Behandlung oder Begleitung folgendes Ziel zu formulieren: nicht nur die Symptomreduktion, sondern auch die Ermöglichung eines möglichen Wachstumsprozesses – z. B. Klarheit über die eigenen Werte, stärkere Verbindung zu anderen Menschen, neue Lebensperspektiven.

Der britische Psychologe Martin Phillips beschreibt diesen Prozess so: Solche Rückschläge können den Betroffenen Klarheit schenken, was sie wirklich wollen und brauchen – und dadurch authentischer und zufriedener leben. Zwar finden sich in der aktuellen internationalen Forschung kaum klare Zahlen, die exakt 60-80 % Wachstum nachweisen – diese Spanne sollte daher mit Vorsicht verwendet werden. Die Angabe „60-80 %“ scheint eher populär-wissenschaftlich verbreitet und nicht eindeutig empirisch belegt.

In der Praxis wird empfohlen, das Thema Wachstum nicht vorschnell als Standardziel zu setzen, sondern behutsam und individuell zu prüfen – ob und wann das Thema für den Betroffenen Sinn macht.

Wie Du in der Begleitung arbeiten kannst

  • Frage im Klient:innen-Gespräch: „Was hat Sie durch diese Erfahrung anders sehen lassen?“ – ohne Druck, eine „positive Seite“ suchen zu müssen.
  • Unterstütze die Reflexion: Was war vorher wichtig? Was ist heute anders? Welche Werte sind geblieben, welche neu?
  • Ermögliche Erleben von Kompetenzerleben und Selbstwirksamkeit: kleine Schritte zeigen, dass das Individuum „etwas gestalten“ kann.
  • Achte darauf, dass der Fokus nicht nur auf Wachstum liegt – sondern auch auf Stabilisierung, Sicherheit und Ressourcenaktivierung. Wachstum kann erst später dran sein.
  • Wenn Du Methoden wie EFT Klopfakupressur einsetzt, kann dies helfen, körperliche Spannungen zu reduzieren, Erlebtes zu integrieren und den Boden für Wachstum zu bereiten.

Diese und viele weitere Grundlagen der Psychotraumatologie, ebenso wie passende EFT-Ansätze zur sanften Stabilisierung und Selbstbegleitung, lernst Du durch spannende Demonstrationen, klare Erklärungen und professionell begleitetes Üben im EFT Klopfakupressur Modul 3 und im TTT Anti-Stress Seminar.

Anfang: Grundlagen Psychotraumatologie 1

Weiter: Grundlagen Psychotraumatologie 31 (wird am 05.12.2025 veröffentlicht)